Bild der Heimat


Lange, sehr lange müßten wir fahren, gleichviel, ob wir den Zug oder das Auto be- nützten, um dorthin zu gelangen, wo unsere Eltern und Urahnen einst ihr Zuhause hatten. Meilenweit im Umkreis siedelten und siedeln dort Menschen anderer Zunge und unsere Dörfer mit ihren ehemals deutschen Bewohnern glichen Inseln im großen slawischen Meer. Deshalb sprach man von sogen. Sprachinseln: in unserem ehemaligen Siedlungs- raum von der Kremnitzer Sprachinsel, d. s. die Dörfer rings um die Stadt Kremnitz (slow. Kremnica) und die Deutsch – Probener Sprachinsel mit den Orten, deren Mittelpunkt die Stadt Deutsch – Proben (slow. Nemeckb Pravno, jetzt Nitrianske Pravno) bildete. Im ganzen waren dies über 20 Ortschaften mit nahezu rein deutscher Bevölkerung. Siehe Abschnitt: "Die anderen Hauorte"!

Unser Heimatort Kuneschhau liegt auf derselben geographischen Breite wie Stuttgart und denken wir uns von hier eine Linie genau nach Osten gezogen, so kämen wir nach einer Luftlinie von 700 km ungefähr in die Gefilde unserer ehemaligen Heimat.

Der Ort erstreckt sich in einer Länge von etwa 3 km von N nach S, genau in der Mitte der langen Häuserreihe stehen Kirche und Schule. Der nördliche Teil, der "Oberort", liegt ziemlich offen auf einer Hochebene mit 800 m Seehöhe, die Südhälfte, der "Unterort", ist dagegen in ein enges Tal eingezwängt. Der Höhenunterschied zwischen Ober- und Unterort dürfte 90 – 100 m betragen.

Das Gesamtareal der Gemarkung verfügt über ein Ausmaß von 3810 ha. Bei der Volkszählung i. J. 1910 weist die Statistik einen Einwohnerstand von 1913 Seelen aus, von denen 1876 als zur deutschen Volksgruppe zugehörig gerechnet und nur 37 als "Anderssprachige" angegeben wurden. Die Volkszählung i. J. 1930 wurde nicht nach der Muttersprache, sondern nach der Umgangssprache durchgeführt; der deutsche Bevölkerungsanteil erhöhte sich auf 1967, der slowakische Anteil blieb unverändert. Die in Krickerhau (Handlova) lebenden Familien sind mit eingerechnet.



Schneelandschaft im Unterort


Alle Bewohner bekannten sich damals ausschließlich zur röm.-kath. Kirche. Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges war der Name Kuneschhau ungebräuchlich. Nur im Volksmunde gebrauchte man Formen, die der heutigen ähnlich waren: Koneschhay, Kunuschhaw, Kuneschhäu, Kuneschhay. Namhafte Sprachforscher haben indes erwiesen, daß allein die Namensform Kuneschhau die richtige und deshalb allen anderen Dialektformen vorzuziehen sei.

Die Slowakei und mit ihr unsere Heimat, gehörte bis dorthin zum ehemaligen Königreich Ungarn, die Staats- und Amtssprache war madjarisch und somit wurde auch der Name unseres Heimatortes nur ungarisch geführt: Kunosvagasa, spr. Kunoschwagascha. In der Schule wurde vornehmlich in der Staatssprache unterrichtet, nur in der Kirche wurde beim Gottesdienst, bei Predigt und Gesang sowie beim Beichthören die Muttersprache berücksichtigt. Auf Grund der Friedensschlüsse nach dem Ersten Weltkrieg wurde bekanntlich die Slowakei (das ehemalige Oberungarn) vom Königreich Ungarn abgetrennt und bildete von nun an einen Teil eines neuen Staatsgebildes, der Tschechoslowakei. Die Amtssprache war jetzt slowakisch und so änderte sich auch unser Ortsname auf Kunesov, spr. Kuneschoff.



Unterort und Mittelort von Heckels Rand aus aufgenommen


Das Landschaftsblld rings um Kuneschhau hat Mittelgebirgscharakter: Ein Kranz von sanften Höhenzügen umsäumen den Ort, von überall erblickt man in der Weite einzelne Häusergruppen, seien es die vom Ober- oder Unterort. Die letzten Wohnsiedlungen im Oberort liegen bereits auf der Wasserscheide zwischen Gran einerseits und der Turz, bzw. Waag anderseits, beide Nebenflüsse der Donau am linken Ufer. Seltsame Bergnamen begegnen uns hier: Scheibe, Steinhübel, Huttenhübel, Spennelspitz, Schindelhengst, Melterstein, Volle Henne, Trenntrichhübel, Überschann, Ziegenrücken, Mühlborn, Bärenwinkel, Stadelbusch, Goldbrünnel, Hirtengründel, Steffelsrand, Mühlwiese, Totenwald, u. a., alle zwischen 900 und 1100 m.


Die Landwirtschaft

Im allgemeinen mußte mit zwei Behinderungsfaktoren gerechnet werden: die weniger tiefgründige Ackerkrume und das durch die Höhenlage rauhe Klima. Nicht umsonst sagte man oft: "Neun Monate Winter und drei Monate kalt." Dementsprechend beschränkte man sich beim Anbau mehr auf weniger anspruchsvolle Getreidesorten, vor allem Hafer und Gerste, aber auch Sommerroggen. Baute man aber Winterroggen und Weizen an, mußte man mitunter eine Auswinterung der langen Winter wegen in Kauf nehmen.

Lange Zeit hatte man sich an die mittelalterlichen agrarrechtlichen Formen der Dreifelderwirtschaft gehalten. Man hatte demgemäß die für den Anbau bereitgehaltene Ackerflur in drei Teilstücke aufgeteilt: auf dem ersten stand Wintergetreide (Winterroggen, Winterweizen), auf dem zweiten Sommer- getreide, während das dritte Teilstück brach lag. Im Jahr darauf folgte auf der vorjährigen Wintergetreidefläche, auch "Winterung" genannt, Sommergetreide ("Sommerung") und auf der Sommergetreidefläche die Brache. Sie wurde im Spätsommer umgebrochen und mit Wintergetreide bebaut.

Diese Gesetzmäßigkeit wurde indes schon im 19. Jh. durchbrochen, indem man anstatt Brache Hackfrüchte (Kartoffeln, Rüben) oder Rotklee anbaute. Flachs, Erbsen, Bohnen oder Mohn baute man auch als Sommerfrucht. Die Dreifelderwirtschaft läßt sich in Kuneschhau insofern nachweisen, daß die bis zur Gemeindegrenze verlaufenden Flurstreifen in Vorderfeld, Mitterfeld und Hinterfeld einteilte, die dann nach der genannten Gesetzmäßigkeit bewirtschaftet wurden.

Bei der alten Dreifelderwirtschaft herrschte Flurzwang, demnach konnte keiner aus der Reihe tanzen. Als vor 110 Jahren der Bauer Anton Grollmuß (vom Salleis) sich dafür einsetzte, den Flurzwang zu beenden, wäre er beinahe von der Obrigkeit mit dem Tode bestraft worden. Trotzdem lockerte man den Flurzwang, und jeder Besitzer konnte auf seinem Grund wirtschaften, wie er wollte.

Zum Vorderfeld, Mitterfeld und Hinterfeld hatte jedes Anwesen noch die "Haua". Dieser Flurname geht auf das Wort "hauen" zurück. So gab es des "Krebesn Haua", des "Kretschn Haua" oder des "Jëigls Haua". Dieser Flur- teil war erst gerodet worden, als der Flurstreifen vom Dorf zur Gemeinde- grenze infolge Erbteilung nicht mehr ausreichte. Für jedes Anwesen oder für eine Anwesengruppe, meistens drei oder sechs Anwesen, lagen die Flächen im "Haua" beisammen. Es konnte dort auch nicht den sonst herrschenden Flurzwang geben.

Bei der Rodung wurden die Flächen entsteint; die dabei gesammelten Steine wurden an den Grenzen der jeweiligen Haua aufgeschlichtet.

Die Bewirtschaftung der einzelnen Flächen war in Kuneschhau durch die weiten Wege sehr erschwert. In den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg dachte man daran, eine Aussiedlung von Betrieben in die Flur vorzunehmen. Das wäre mit einer Flurbereinigung verbunden gewesen. Doch dazu war es nicht mehr gekommen.


Nur wenige Landwirte konnten allein aus ihrem Betrieb ihren Lebensunterhalt bestreiten. Einige bekannte seien hier noch genannt:

Rückschloß Ignaz,
(paum Pëintadiesl)
Gürtler Franz,
(paum Kretschn)
Schwarz Franz,
(paum oberen Prokein)
Ernek Josef,
(Oberort)

Bei der letzten Viehzählung wurden etwa

20

Pferde

498

Kühe

291

Ochsen

445

Stück Jungvieh

20

Schafe und

10

Bullen

registriert.

In den kleineren Betrieben ersetzte die Hand die Maschine fast vollkommen, nur die mittleren oder größeren Landwirtschaften hatten Ochsen- oder Pferdegespanne. Traktoren, Mähdrescher oder andere Großmaschinen standen bis in jüngster Zeit nicht in Verwendung. Ihr Einsatz wäre bei der vorhandenen Flurform (mehr oder weniger schmale, langgestreckte Hufen) auch nur beschränkt möglich gewesen; in letzter Zeit aber wurden Göpel und Benzinmotoren als Antriebsmaschinen schon gebraucht.


Beschaffung des Bodens in der Gemarkung Kuneschhau


1. Leichte, sandige Braunerde 50%, Ackerkrume

25 cm

2. Lehmiger Sand, leichte Schwarzerde 13%, Ackerkrume

25 cm

3. Steiniger Lehmboden 25%, Ackerkrume

20 cm

4. Stark mit Steinen durchsetzter Boden
mit wenig Ackerkrume 12%, Ackerkrume

15 cm


Verwendung der Ackerflächen zum Anbau


Hafer, Gerste, Roggen, Weizen

71 %

Kartoffeln

18 %

Hülsenfrüchte und Leinsamen

7 %

Futterrüben, Feldgemüse (Kohl)

3 %

Mohn

1 %


Neben den privatwirtschaftlichen Äckern gab es auch gemeindeeigene Felder, die für die Bullenhaltung die notwendigen "Körner" und die Streu lieferten und die gemeinschaftlich bearbeitet wurden.

Durch die Höhenlage bedingt, gab es fast nur einschnittige Wiesen. Auch begann ja der allgemeine Weidebetrieb schon nach der Heuernte (eigentlich war der Pfingstmontag der Lostag für den Beginn des Weidebetriebes). Da die Weideflächen oft nicht ausreichten, trieb der Gemeindehirt das Vieh auch auf vorhandenen brachliegenden Felder. War die Ernte vorüber, wurde das Vieh überall hingetrieben. Von einem Weideplatz zum anderen wurden Viehwege angelegt (Voibëig). Nach Michaeli (29. Sept.) war der Hirte Herr über die ganze Flur und er durfte das Vieh überall hintreiben ("Michjoil – ku ma hüttn, bëu ma boill" oder "Michaeli ist vorüber, geht die Hut über und über").



Kuneschauer Dorfidyll, Pfarrhaus und Kirche


Der Wald

Der Wald war mit geringen Ausnahmen Allgemeingut. Der Besitzer war die Urbarialgemeinde. (Siehe Abschnitt über die Urbarialgemeinde.)

Handel und Gewerbe

Die meisten Konsumgüter holte man sich gewöhnlich aus der Stadt Kremnitz, später allerdings, als sich der Lebensstandard zu heben begann und der Bedarf allmählich wuchs, war man froh, daß sich Unternehmer fanden, die sich "Gemischtwarenhandlungen" einrichteten und somit die notwendigsten Güter für den alltäglichen Gebrauch im Dorfe selbst besorgt werden konnten. Handel und Gewerbe. Die meisten Konsumgüter holte man sich gewöhnlich aus der Stadt Kremnitz, später allerdings, als sich der Lebensstandard zu heben begann und der Bedarf allmählich wuchs, war man froh, daß sich Unternehmer fanden, die sich "Gemischtwarenhandlungen" einrichteten und somit die notwendigsten Güter für den alltäglichen Gebrauch im Dorfe selbst besorgt werden konnten.



Bild a. d.  Gegenwart: Mittelort mit Schule, Rechts im Hintergr.  Ruine des Erbrichterhaus


Zuletzt waren Einrichtungen in dieser Hinsicht in Kuneschhau vertreten:


Selbstständige Handwerker

Schreinerwerkstätte Inh. Johann Prokein

243

Schreinerwerkstätte Inh. Johann Prokein 201
Wagnerei und Drechslerei Inh. Franz Wagner 333
Schuhmacherwerkstätte Inh. Alois Drienko 216
Schuhmacherwerkstätte Inh. Ignaz Patsch 204
Schuhmacherwerkstätte Inh. Josef Oswald 61
Schneiderwerkstätte Inh. Josef Puskayler 44
Schneriderwerkstätte Inh. Josef Fronz 24
Zimmermeister Inh. Paul Straka 163
Leinsamenpresse Inh. Anna Ihring 237


Betriebe

Sägewerk Urbarialgemeinschaft
Mühle Inh. Ignatz Neuschl 9
(genannter hat die Mühle von dem früheren Besitzer Jan Petrovic im Jahr 1938 käuflich  erworben.)
Unteres Sägewerk beim Lëinketsch Inh. Anton Ihring 285

Geschäftsleute

Konsumgenossenschaft (Lebensmittel) Vorst. Andreas Prokein 212
Gaststätte und Lebensmittel Inh. Anton Latzko 312
Gaststätte und Lebensmittel Inh. Johann Wollner 36
Gaststätte mit Postablage Inh. Anton Gürtler

217

Gaststätte Inh. Johann Ihring 124
Tabaktrafik Inh. Johann Siemer 198
Textilwarenhandlung Inh. Johann Ihring 200
Eisenwarenhandlung Inh. Johann Fronz 208
Fleischwarenhandlung Inh. Johann Neuschl 204
Fleischwarenhandlung Inh. Josef Neuschl 4

An den Seitenwänden unserer schönen Kirche sah man einst (sieht man noch) das Bergwerksemblem: Schlägel und Eisen! Hier, wo sich sonn- und feiertags der größte Teil der Gemeinde versammelt sah, wollte man bekunden, daß Kuneschhau seit seiner Entstehung im großen und ganzen das geblieben war, was es immer war: ein Bergarbeiterdorf.