Die Urbarialgemeinde


In der Gemeindestube unseres Heimatortes war, wenn es verschiedene Angelegenheiten zu regeln gab, oft von zwei Kompetenzen die Rede: von der politischen und der Urbarial-Gemeinde. So war für eine bestimmte Sache einmal die politische, das andere Mal die Urbarialgemeinde zuständig. Auch das Vermögen war auf beide Verwaltungs- körper aufgeteilt. Diese Einrichtung stammt aus der Zeit der Erbuntertänigkeit der Bauern, wo diese ihrem Grundherrn zu sachlichen und persönlichen Leistungen ver- pflichtet waren. Diese Verpflichtungen waren in den sogenannten Urbarien verzeichnet; das waren im ungarischen Recht Verordnungen, die die bäuerlichen agrarrechtlichen Verhältnisse zwischen Gutsherrn und Untertanen zum Gegenstand hatten. Die Urbarien waren zwar regional verschieden, wurden aber doch im allgemeinen von den jeweiligen Herrschern festgelegt: z. B. Urbarium von Kaiser Rudolf II. (1576-1612) oder von Maria Theresia (1740 – 1780). Die persönliche Leibeigenschaft und die schweren Naturalleistungen waren fortwährend Ursache von Bauernaufständen. Durch die kaiser- lichen Patente vom Jahre 1781, bzw. 1848 wurden die Untertanen von all diesen Lasten endgültig befreit.
 
Der Inhaber einer Hofstelle (eines Grundstückes oder einer Hufe) war bis zum letzt- genannten Zeitpunkt bloß Nutznießer, wofür er seinem Grundherrn, wie schon erwähnt, Abgaben zu leisten hatte. Nun aber wurde er in die Lage versetzt, seine bisherige Liegenschaft, wenn auch für ein geringes Entgelt, zu erwerben. Es wurden jetzt Kataster zur Steuerbemessung und Grundbücher angelegt, wo der nunmehrige Besitz ver- zeichnet wurde. Für den von der Grundherrschaft gewonnenen Wald oder für die Weide bildeten sich aus den Reihen der ehemaligen Untertanen Gemeinschaften, die die Summe für den übernommenen Wald gemeinsam aufbrachten und auch die weitere Nutzung gemeinsam ausübten. Man nannte sie, auf ihre einstige historische Bindung hinweisend, Urbarialgemeinden oder kurz Urbarlalisten. Sie bildeten fortan einen eigenen Gemeindekörper und Einnahmen und Ausgaben wurden gemeinsam bestritten. Nicht alle Bürger waren Urbarialisten, denn nicht jeder besaß ursprünglich eine Hufe. Nur im ehemaligen Königreich Ungarn hielt sich diese Einrichtung, während in den früheren österreichischen Kronländern (und in den westlichen Ländern) im Zuge der Ablösung der Wald- und Weidenutzungsrechte gewöhnlich diese in das Allgemeingut der Gemeinde überging. Indes wurden die Besitzverhältnisse durch die sog. Kommassierung in den Jahren 1882 – 1887 neu geregelt. Sie hatten Gültigkeit bis in die jüngste Zeit.

In Kuneschhau waren die Inhaber eines Grundstückes (Hufe), die in ihren Ausmaßen nicht immer unbedingt gleich groß zu sein brauchten, vorerst ihrem Erbrichter zinspflichtig. Als aber i. J. 1429 das Dorf, das zur damaligen Zeit freilich nicht der heutigen Ausdehnung entsprach, mit dem gesamten Areal von seinem bisherigen Besitzer, dem König, bzw. der königlichen Kammer, an die Stadtgemeinde Kremnitz weiterveräußert wurde, waren die Kuneschhauer von nun an einem neuen Herrn untertänig. Dieser Zustand währte bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, d. h. bis die Verordnungen durch die Kommassierung wirksam wurden. Über die Höhe der Abgaben ist nur so viel bekannt, daß der Ort nach der Übernahme durch die Stadt Kremnitz jährlich 60 fl (fl = florenus, d. i. Florentiner Gulden) an Steuern zu zahlen hatte. Daß in den Leistungen auch Zerealien enthalten waren, bezeugt der Umstand, daß etwa auf halbem Wege zwischen Johannesberg und Kremnitz rechterhand ein einstöckiger Steinbau mit kleinen, drahtvergitterten Öffnungen steht, der einst für die Aufschüttung (Schüttboden) des gelieferten Getreides diente.

Die gemeinsame Waldnutzung wurde von nun an in der Weise durchgeführt, daß bei einer etwaigen Schlägerung, die ja fast jährlich durch Brenn- und Nutzholzbedarf bedingt war, der entstandene Holzanfall durch Gleichteile berechnet und der Größe des Grundstückes entsprechend geteilt wurde. Die Anteile waren grundbücherlich registriert.

Darnach erhielt jeder Urbarialist eine bestimmte Anzahl Stammdurchmesser Stammholz (Fichte oder Tanne). Auf einen Anteil fielen bis 6 cm Stammdurchmesser. Die Stämme wurden in der Säge gegen eine Gebühr geschnitten. Die im Herbst abgeholzte Fläche wurde im Frühjahr von Familien ohne Grundbesitz nach Verbrennen des Reisigs und entsprechender Bodenbearbeitung mit Sommergetreide (Hafer) und Kartoffeln bebaut. Im nächsten Frühjahr wurden Jungpflanzen aus dem eigenen Pflanzgarten gesetzt. Die Urbarialgemeinde konnte freilich nicht willkürlich Holzschlägerungen durchführen. Holzeinschlag, sowie Wiederaufforstung unterlagen allgemein gültigen Vorschriften, die durch Landesgesetze geregelt waren. Die Urbarialgemeinde hatte bis zuletzt folgenden Besitzstand aufzuweisen:

Nadelwald (80% Tannen, 20% Fichten, Alter 80 – 100 Jahre)

140,00 ha

1 Baumschule

2,00 ha

Wiesen

14,00 ha

Äcker

3,00 ha

Hutweide

95,00 ha


Die Urbarialgemeinde besaß ferner am Ausgang des Unterortes eine Dampfsäge, dann Stallungen mit Nebengebäuden für die Bullenhaltung und ein Wohnhaus für den Bullenpfleger, Hirt genannt.

Im besonderen waren ausgedehnte Wiesen in den Flurteilen Hochwald (Hiechbold) und Totenwäldel, am Fußsteig nach Kremnitz gelegen. Auch besaß die Urbarialgemeinde Gemeinschaftshutungen im Hirtengründel, auf der Scheibe und beim Viehweg (Voibëig). Gegen Entrichtung einer Gebühr konnte für die Dauer einer Weideperiode Vieh auf die Hutungen getrieben werden.

Die Äcker lagen in der Flur Viehweg. Die Waldungen lagen in den Flurteilen Mühlborn, Triengwald (Triegbold), Hochwald (Hiechbold), Spitzwald (Spitzbold), Goldbrunn und Totenwäldl. Die Waldungen betreute ein hauptämtlich angestellten Waldhüter.
Die Urbarialgemeinde Kuneschhau war zuletzt durch folgende Personen vertreten:


Vorstand (Präses) Franz Grolmus
Säckelwart (Kassier) Johann Rückschloß
Beiräte: August Ihring
Johann Ihring
Josef Ernek


Als Diener oder Bote der Urbarialgemeinde wirkte der Vorredner (Waurida). Er sagte bei den Urbarialisten ein, wann und wo "Zech" (Zeche) geleistet werden mußte. Dazu gehörte das Mähen der Wiesen für die Bullenhaltung, das Heuen und Einfahren und andere Arbeiten. Wer die Zech nicht ableistete, mußte dafür eine dementsprechende Gebühr leisten. Es war ein großartiges Bild, wenn beispielsweise zum Mähen der großen Wiese in der Flur Hochwald fünfzig Männer mit Sense, Kumpf (Schlutakëitz) und Wetzstein ausgerüstet, antraten.