Die politische Gemeinde
Bis zum Jahr 1848 waren die Gemeinden ein Teil der Herrschaften, deren
Grundherren sie als untertänige Verbände unterstanden; für Kuneschhau
also die Stadt Kremnitz. Die aus der Zeit Maria Theresias stammenden
Zentralbehörden wurden gegen Ende des vorigen Jahrhunderts in Ministerien
umgewandelt; im gleichen Zuge wurden auf Grund eines
Reichsgemeindegesetzes einheitliche Gebietskörperschaften
gebildet, die zur Besorgung bestimmter Aufgaben der öffentlichen
Verwaltung mit Selbstverwaltungs- rechten ausgestattet
wurden. In Ungarn wurde diese Reform nicht durchgeführt. Abgesehen von
unseren deutschen Heimatgemeinden, gebärdete sich das Leben in so
manchen Städten der Slowakei noch durchaus deutsch. So wies z.B. die
Stadt Kremnitz noch um die 80iger Jahre eine deutsche Mehrheit auf. In
der Tischlade der Gemeindestube in Kuneschhau konnte man bis zuletzt
deutschgedruckte Großformulare, die noch aus der "Bach-Ära"
(1852-1859) stammten, für das Steueramt in Kremnitz liegen sehen.
Im Jahre 1867 wurde zwischen Österreich und Ungarn ein Vertrag
abgeschlossen, der in die Geschichte als sogenannten "Ausgleich"
einging und der für das damalige Rechsgebiet den Namen "Österreichisch
- Ungarische Monarchie" prägte. Damit erhielt Ungarn die
größtmögliche Selbstständigkeit, wenn auch nicht die vollkommene
Unabhängigkeit, die ja immer angestrebt wurde. Die Amtssprache war von
nun an madjarisch und deren Gebrauch wurde in allen Stellen der
staatlichen Verwaltung rigoros gehandhabt.
Nach dem Ersten Weltkrieg kehrte die deutsche Sprache in beschränktem
Maße wieder ein, die Gemeindevertretungen wurden im Sinne der
demokratischen Verfassung nach Parteien eingerichtet, die ja nach den
politischen Umständen ihre Zusammensetzung wechselten. Während der
letzten Jahren unseres Hierseins wählte man anstatt des Ausdruckes
"Richter" für den Gemeindevorsteher wie überall in deutschen
Dörfern und Städten den Namen "Bürgermeister".
Amtliche Kundmachungen, besonders solche des Notariates in Kremnitz,
aber auch ortseigene, wurden den Bewohnern unserer Heimat in der Weise
übermittelt, daß ein Gemeindeorgan, der sogenannte "Kleinrichter"
durch den Ort ging, an bestimmten Stellen stehen blieb und die Trommel
rührte. Die Leute eilten flugs herbei, um zu hören, was er zu
vermelden hatte. In Kuneschhau warteten jeden Sonntag die
Kirchenbesucher nach dem Zehnuhr-Hochamt vor der Kirche, bis der
Richter erschien, der von einem erhöhten Podest aus (damit ihn jeder
sehen konnte) mit lauter Stimme seine Verlautbarungen verlas.
"Bullt´s ma ´s dalaobn eihnsamëi Gamaëndëi, doß nit eohna
Ousoch saëd gaboun aufgaholtn" Wollt mir´s erlauben, ehrsame
Gemeinde, daß ihr nicht ohne Ursache seid geworden aufgehalten), so
fing der Kuneschhauer Richter mit der Vermeldung nach dem sonntäglichen
Hochamt an. Es handelte sich immer um offizielle Bekanntmachungen
der politischen Gemeinde, aber auch um Nachrichten der Urbarialgemeinde
an die Urbarialisten und um sonstige Mitteilungen von allgemeinem
Interesse. So könnte eine Vermeldung nach oben erwähnter Begrüßung,
freilich in Kuneschhauer Mundart, gelautet haben:
1.
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Am Donnerstag ist Viehmarkt in Krickerhau.
Viehpässe werden am Dienstag-
nachmittag bei mir ausgegeben
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2.
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Alle Hausbesitzer müssen dafür sorgen, daß im
Dorfbach durch Anlegen von
kleinen Tümpeln Wasser für Löschzwecke vorhanden ist. Außerdem
muß in
jedem Anwesen Wasservorrat in Fässern und dergleichen
bereitgestellt werden. |
3. |
Heute nachmittag kassiert die
Notschlachtungsgemeinschaft Beiträge. |
4. |
Wer noch Langholz zur Säge bringen will, muß das
noch in dieser Woche tun. |
5. |
Am Freitagnachmittag werden alle im vergangenen Jahr
geborenen Kinder geimpft. |
Am Ende der Vermeldung sagte der Richter: "Im übrigen wünsche
ich allen einen guten Tag."
Der Richter war natürlich die im Dorf am meisten respektierte
Persönlichkeit. Noch bis in die Gegenwart hinein drohte man den Kindern
nach einer begangenen Untat: "Wenn Du es noch einmal tust, bringe
ich Dich zum Richter!" Sühneversuche wurden beim Richter
abgewickelt.
Gewählt wurde der Richter von den 12 Geschworenen der Gemeinde.
Die Geschworenen selbst berief der Richter auf Lebenszeit. Bis 1918
mußten alle Richter selbst auch Grundbesitzer sein. Probleme der
Gemeinde beriet der Richter mit den Geschworenen. Er erledigte einfache
Vorgänge in der Gemeindeverwaltung. Das Standesamtwesen lag beim
Notariat in Kremnitz. Einige Geschworene und der Richter regelten mit
Hilfe der Flurkarte auch Grenzstreitigkeiten. Richter und Geschworene
bekamen am Palmsonntag in der Kirche Palmruten überreicht und
beteiligten sich an der Palmprozession und gingen bei der
Auferstehungsprozession und Fronleichnams- prozession gleich hinter dem "Himmel".
Himmelträger konnten auch nur Geschworene sein.
In den letzen Jahrzehnten amtierten in Kuneschhau folgende Richter:
Grollmuß (paum Kaufma), Gürtler (paum Hiesl), Johann Ernek (Sibarui),
Ihring (Binderthiesl), Johann Ihring (Titala), Turzer (Rechner paum
Binder), Josef Daubner (Grillal) bis 1934, Johann Patsch (Frielaich paum
oberen Turzer) bis 1937, Johann Fronz (Hobareishansl paum Weismichl) bis
1940, Andreas Prokein (Drasch Paum Jëigl) bis 1945. Vertretung im Jahre
1943, Anton Daubner (paum Kubi).
Die letzte Gemeindevertretung setzte sich wie folgt zusammen :
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Bürgermeister : |
Andreas Prokein, |
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1. Stellvertreter : |
Anton Daubner, |
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2. Stellvertreter : |
Josef Ihring, |
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Kassier : |
Johann Prokein, |
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Gemeindeausschuß : |
Georg Ihring, |
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Johann Ihring, |
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Andreas Oswald, |
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Paul Prokein, |
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Johann Prokein |
Vermögen der Politischen Gemeinde :
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1. Gebäude |
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1. Gemeindehaus |
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1. Schulhaus |
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3. Spritzenhäuser |
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2. Grundstücke |
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Einige Äcker und Wiesen |
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Zur Gemeindeverwaltung gehörte auch der Kleinrichter (Klarichta),
der die Funktion eines Gemeindedieners ausübte. Er wurde vom Richter
aus einer Reihe von Bewerbern ausgewählt. Der Kleinrichter trug
amtliche Schriftstücke des Notariats Kremnitz aus und verkündete
besonders wichtige Nachrichten während der Woche im Ort. Vor dem
Ausrufen machte er sich durch Schlagen einer Trommel an bestimmten
Plätzen des Dorfes bemerkbar.
Jeder Besitzer eines Anwesens besaß ein Steuerbuch und bezahlte seine
Steuern im Steueramt in Kremnitz. Die Gemeinde deckte ihre Ausgaben
durch Einheben eines Kopfgeldes, Zehnter genannt. Der
"Zehnte", hochdeutsch Zehent, wurde im Abstand von zwei Wochen
von Einnehmern einkassiert. Man sagte : "Da Ziehngta aosnehma".
Der Gemeinde gehörte ein Haus mit einem Saal für Veranstaltungen und
Räumen für die Gemeindebücherei, für Sitzungen und für die
Verwaltung. Die Sorge um die Ärmsten des Dorfes oblag dem Richter.
Arbeitsunfähige Menschen wurden von den Bauern im Ort verköstigt.
Jeden Tag kamen sie als "Kostgänger" in ein anderes Haus.
Um die Instandhaltung der Feldwege, bei der ausgedehnten Flur des
Waldhufendorfes Kuneschhau ein besonderes Problem, kümmerten sich die
Anwesenbesitzer in den jeweiligen Ortsteilen. So mußten die Benützer
des Binders Weg mindestens einmal im Jahr ihren Weg richten. Bei
Feldwegen, die quer durch die Flur gingen, wie Landweg, Weg in den
Mühlborn in Richtung Scheibe, regelten die Instandhaltung der Richter
oder ein Beauftragter. Flurschäden durch Weidevieh wurden durch von der
Gemeinde bestellte Schätzer festgestellt.
Die Gemeinde hatte auch zwei Nachtwärter angestellt. Es gab in unserer
Heimat- gemeinde noch strohgedeckte Häuser, so daß die Brandgefahr im
Sommer durch Blitzschlag äußerst groß war. Der Nachtwächter gab mit
einem Horn Alarm, wenn er einen Brand entdeckte. Während der Nacht
mußte er um 22 Uhr und 2 Uhr blasen. Im Sommer war der Nachtwächter
von einer erwachsenen männlichen Person begleitet. Aus jedem Anwesen
mußte nacheinander ein Mann für diesen Dienst abgestellt werden.
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