Ein Bauernjahr in Kuneschhau


Die Bedingungen für den landwirtschaftlichen Betrieb waren in Kuneschhau nicht günstig. Allein die Höhenlage erlaubte nur beschränkten Anbau vor allem von Wintergetreide. Das rauhe Klima tat ein übriges, so daß eine intensive Bewirtschaftung kaum möglich war. Dennoch liebten wir alle unser Fleckchen Erde, war es nun groß oder klein, mit all seinen Gebresten und Freuden, auf das innigste: unsere Heimat!

Im November wurde der Roggen (Gatrad = Getreide) gedroschen, wozu man noch Dreschflegel verwendete, denn mit den damaligen kleinen Dreschmaschinen, den Hakenzylindern, konnte das lange Roggenstroh nicht gemeistert werden. Soviel Roggen mußte mit den Flegeln gedroschen werden, daß das dabei gewonnene Schlichtstroh für die Herstellung von Strohbändern, zum Binden der Garben während der Ernte und beim Dreschen, sowie auch zum Ausbessern der Strohdächer reichte. Wirrstroh aus der Dreschmaschine wäre dafür nicht geeignet gewesen.

Noch vor Winterbeginn wurde in den Gemeindewaldungen das jedem Anwesen zugehörige Weichholz geschnitten und zur Säge gebracht.

Im Laufe des Winters wurde der Flachs gebrochen, gehechelt und geschwungen. Dabei wurden noch einzelne Holzteilchen und das Werg (Hede) von der reinen Flachsfaser getrennt. Die nächste Arbeit hatte das Spinnrad zu verrichten. Das gewaschene Garn brachte man nach Glaserhau. Wie stolz waren die Frauen, wenn ihnen die Weberinnen die Ballen mit feinem, mittlerem und grobem Leinen ausfolgten! Das fertige Leinen (Linnen) wurde dann vor der Verwendung in den Frühjahrsmonaten auf dem Rasen gebleicht.

Gewöhnlich fiel schon zu Beginn des Advents Schnee. Die Hauptarbeit auf den Bauernhöfen bestand nun im Versorgen der Haustiere; es wurde in der Regel nur zweimal gefüttert, morgens und am späten Nachmittag: das Vieh "verrichten". Wenn vor Fasching der Heuboden mit Futter noch halbvoll war, reichte es bis zum Austrieb auf die Weide im Frühjahr. Für das Füttern in den letzten Winterwochen wurde das gute Heu von den Bergwiesen aufgespart. Sobald nämlich die Tiere beim Gang zur Tränke im Hof merkten, daß es bald etwas Grünes gäbe, konnte man sie nur mehr mit bestem Wiesenheu zufriedenstellen. Außer Heu wurde auch noch Gersten- oder Haferstroh zugefüttert. Nur die Kühe bekamen Hackfrüchte in Form von Kohlrüben (Quacken) und Runkelrüben (Burgeln), dazu noch Kleie und Getreideschrot, während die Zugochsen und Jungrinder auch Hafer erhielten. Nur wenige Bauern besaßen Pferde.

Während der Wintermonate wurde fleißig Dünger gefahren. Überall sah man, wie die Ochsengespanne trägen Schrittes die Düngerlast mit dem Schlitten auf die steilhängigen Äcker hinaufzogen. Nur jetzt und bei viel Schnee war das möglich, denn zu anderer Zeit waren die steilen und holprigen Feldwege nur schwer befahrbar. Der Mist wurde auf den Feldern gestapelt, denn man brauchte ihn nur für die kommende Frühjahrs- oder Herbstsaat.

Viel Zeit nahm auch die Brennholzabfuhr aus den Wäldern oberhalb Slaska !Leskowitz) in Anspruch; nur dort gab es das begehrte Buchenholz. Geschnitten und aufgearbeitet hatte man das Brennholz schon im Frühjahr. Den Sommer über war es gut getrocknet und konnte daheim zu handlichen Scheiten zerkleinert werden.

Die Männer besserten im Winter die Rechen, Sensen, Wagen, Pflüge und Eggen aus und fertigten neue Geräte an. Ein landwirtschaftlicher Betrieb hatte folgenden Bestand an Maschinen und Geräten: einen Bretterwagen (Kastenwagen) und einen Leiterwagen, mehrere Gespannschlitten, eine schwere und eine leichte Egge, eine Dreschmaschine, eine Windfege (Wurfmaschine), ferner Sensen fürs Grasmähen, Kornsensen, Heurechen, Rechen zum Aufhäufeln des Getreides vor dem Binden der Garben, Schlepprechen zum Nachrechen auf den Getreideflächen und Geräte für die Flachsbearbeitung, nicht zuletzt eine Häckselmaschine. Die moderneren Betriebe besaßen für den Antrieb der Dreschmaschine, der Kreissäge und Häckselmaschine schon Motoren oder einen Göpel. Nur vereinzelt wurde mit Volleisenpflügen geackert; an den meisten Pflügen war nur der Pflugkörper mit dem Sech aus Eisen. Ab und zu wurden die Kartoffeln schon mit einem Hack- bzw. Häufelpflug bearbeitet und mit dem Schleuderradroder geerntet. In manchen Häusern war in den Wochen vor Weihnachten jung und alt mit der Herstellung von Kinderspielzeug beschäftigt, das am "Reichen Samstag" auf dem Weihnachtsmarkt in Kremnitz verkauft wurde. Einige Bauern fertigten in den Wintermonaten zum Verkauf oder für den eigenen Haushalt auch Holzgefäße an.



Roggenernte im Flurteil Pfarrers Höhe (Pforres Hoi).


Eine höchst willkommene Abwechslung brachte das Schweinschlachten. Man schlachtete gewöhnlich zwei Schweine. Beim zweiten Schlachten, das meist in die Faschingszeit fiel, wurde die nächste Verwandtschaft zum "Sautanz" eingeladen. Es wurde aber nicht getanzt, sondern es ging darum, die Würste und das Stichfleisch zu kosten: Bratwurst (Prutbiescht), Preßwurst (Preßbiescht), Leberwürst (Lebabiescht) und Blutwürst (Bleutbiescht) mit Graupen. Dabei wurde viel erzählt und oft bis in die späte Nacht hinein gesungen.

Auch das Brotbacken darf nicht unerwähnt bleiben. Im Dorf gab es keinen Bäckerladen, so waren die meisten Leute gezwungen, selbst ihr Brot zu backen, obwohl sich in letzter Zeit so manche schon durch die Lebensmittelhändler, die ihre Waren aus der Stadt Kremnitz brachten, versorgen konnten. In jedem Haus jedoch gab es einen Backofen. Man verwendete noch allgemein den Sauerteig, der von einem Backvorgang zum anderen (ungef. 1 Woche) in einem eigens dafür benützten Holzgefäß aufbewahrt wurde. Am Vorabend hat die Hausfrau den Sauerteig in lauwarmem Wasser aufgelöst; bis zum Frühmorgen war er dann mächtig "aufgegangen". Sodann wurde er mit dem schon am Vortag (damit es gut durchwärmt war und besser "aufgehen" konnte) in einem hölzernen Backtrog bereitgestellte Brotmehl verrührt und daraus je nach Bedarf 10 – 12 Brotlaibe geformt. Gerieten sie durch die Wirkung des Sauerteiges zu groß, wurden sie noch einmal durchgeknetet und die Zahl der Brotlaibe um einen vermehrt. Inzwischen sind die Backscheite im Ofen herabgebrannt, die Glut wurde zusammengekehrt und auf die Seite geschoben. Die Hausfrau wußte schon aus Erfahrung, wieviel Scheite sie verwenden mußte, um eine richtige Hitze zu bekommen. Jetzt wurden die Laibe aus den strohgeflochtenen "Backschüsseln" (die vorher mit Mehl bestreut wurden, damit der Teig nicht anklebt) herausgehoben, auf eine runde, der Größe des Laibes entsprechende und mit einem Stiel versehene Holzplatte (Ofenschüssel) gestürzt und in den Backofen "eingeschossen". Ungefähr 2 Stunden dauerte es, bis die Laibe restlos durchgebacken waren. Manche "Bäckerinnen", nahmen die fertigen Laibe noch einmal aus

dem Ofen, wuschen sie und schossen sie noch einmal ein. Dadurch bekam das Brot einen richtigen Glanz und eine schöne Bräune. Bei jedem Brotbacken wurde aber zur Freude der Kinder nicht auf die "Raafflecken" vergessen. Dazu wurde derselbe Teig verwendet, nur wurde er zu einem dünnen "Flecken" ausgewalkt und vorher gebacken. Ein Raafflecken war so groß, daß er auf die Ofenschüssel paßte. Die Ofenschüssel selbst hatte einen Durchmesser von etwa 30 cm. Fertig gebacken hatte ein Raafflecken eine Dicke von 1 cm. Die Raafflecken wurden in den Ofen eingeschoben, wenn mit der Kratze (Krotz) die Glut zur Seite geschoben war und mit dem Kehrwisch (Kaibisch) der Ofenbelag auch von Aschenteilchen leergefegt war. Nach dem Backen der Raafflecken wurde die Glut im Backofen wieder verteilt und blieb liegen bis der Brotteig in den Brotkörben (Preutkiadln) so weit gegangen war, daß auch die Brote eingeschoben werden konnten. Die noch heißen Raafflecken wurden mit Butter oder noch besser mit eingsalzenem Schmeer (Schmaia) bestrichen und am besten noch warm zu Milch gegessen. Schmeer ist eingesalzenes Bauchfett.

Zu Beginn der Fastenzeit gingen die Bäuerinnen mit dem Leinsamen zum Millna beim Grünling im Unterort, wo eine Ölpresse zur Verfügung stand. Das Leinöl wurde sehr gerne zum Backen und Kochen genommen. Vor dem Pressen mußte der Leinsamen im warmen Backofen angetrocknet und in großen Mörsern mit der Hand zerstampft werden.

Je nach Witterung wurde Mitte bis Ende April das Sommergetreide gesät. Es wurden Gerste, schwarzspelziger Hafer, auch etwas Mohn und nach den Eisheiligen (12., 13. und 14. Mai = Pankraz, Servaz und Bonifaz) Lein angebaut. Das Säen besorgten die Frauen. Bei dieser Arbeit hatten sie ein Tuch mit dem Samen um die Schulter gebunden. Aus Erfahrung wußten sie, wieviel Viertel auf diesem oder jenem Acker gesät werden mußten. (Ein Viertel waren 4 Mautfaß, ein Mautfaß faßte 15 Liter).

Eine besondere Bedeutung erlangte der Kartoffelbau. Boden und Klima ließen die Kartoffelsorte "Schneeflocke" besonders gut gedeihen. Die Kremnitzer Hausfrauen kauften dem guten Geschmack zuliebe gerne Kartoffeln aus Kuneschhau. Ende der Dreißigerjahre brachten die in Deutschland beschäftigten Saisonarbeiter neue Kartoffelsorten mit, besonders bewährte sich aber nur die Sorte "Merkur". Gelegt wurden die Kartoffeln nach dem Pflug in jede zweite Furche. Dabei drückte, bzw. stieß man die Knollen in die aufgeworfene Erde. Man sprach deshalb nicht vom "Kartoffellegen", sondern vom "Kartoffelstoßen". Die Kartoffeln nannte man "Maäpl", was "Maiäpfel" (nach dem Monat der Bestellung) heißen könnte.

Nach dem Aufgehen der Saat wurde in den Hafer Rotklee oder Wundklee (Bullha = Wollheu) eingesät. Und waren in den Anzuchtbeeten im Hausgarten die Pflanzen für Kohlrüben, Rot- und Weißkohl (Rot- und Weißkraut) und die Runkelrüben kräftig genug entwickelt, konnte mit dem Stecken begonnen werden. Die Frühjahrsbestellung war damit abgeschlossen.

Die Fruchtfolge auf dem Acker hielt sich an eine bestimmte Gepflogenheit: auf Winterroggen als Hauptbrotfrucht und Winterweizen folgten Hackfrüchte (Kartoffeln, Rüben), auch Kraut und Mohn, anschließend Sommergerste und im nächsten Jahr Hafer mit Einsaat von Rot- oder Wundklee. Hernach wurde wieder Wintergetreide angebaut. Im fünften Jahr blieben aber manche Felder brach liegen, was noch auf die alte Dreifelderwirtechaft mit der Folge von Wintergetreide, Sommergetreide und Brache hindeutet. Der Flachs hatte als abtragende Frucht im Haferschlag seinen Platz. In dieser fünfjährigen Fruchtfolge wurden die Äcker für das Wintergetreide und zum Teil auch für die Kartoffeln mit Stallmist bedacht; die Handelsdüngeranwendung lag erst in den Anfängen.

Bevor die Wiesen grün wurden, mußten sie gesäubert werden. Darunter verstand man das Zusammenrechen von Laub und das Auseinanderziehen von Maulwurfshaufen und das Verteilen von Kuhfladen. Die Kartoffeln wurden Anfang Juni mit der Handhacke bearbeitet und bereits Ende Juni angehäufelt, weil es hieß: "Mariä Heimsuchung kommt herzu, da wollen die Kartoffeln haben ihre Ruh".

Mitte Mai begann das Viehhüten. Zunächst wurden die Kühe auf die dorfnahen Weideflächen, den sogenannten "Lahn" getrieben. Das waren Äcker, die mit Grassamen angesät waren oder der reichlichen Niederschlagsmenge zufolge von selbst grünten. Das Jungvieh wurde erst Anfang Juni auf die gemeindeeigenen Hutungen "Hirtengründel" und "Scheibe" geführt und blieb solange dort, bis ein Abweiden der inzwischen gemähten Wiesen im Juli möglich war. Eigene Gemeinschaftsweiden hatten die Bauern des Ortsteils Kretschn in der Flur "Mühlborn" und die Bauern im Unterort in den Anteilen "Schweinriegel" und"Steingarten". Neben den genannten Weideflächen und unterhalb der "Scheibe" befanden sich einfache Sommerställe (Stellal), in denen sich das Vieh nach dem Weidegang am Morgen und am Nachmittag aufhielt. Die Hüterbuben des Hirtengründel trieben das Vieh abends wieder ins Dorf zurück, da sich diese Hutung gleich an den Oberort anschloß.

Die Heuernte begann Ende Juni mit dem Mähen der Gärten, dann folgte der Grasschnitt auf den hoffernen Wiesen. Gemäht wurde noch alles von Männerhand mit der Sense. Sache der Frauen war das Wenden und Zusammenrechen des Heues. Eingefahren wurde am Abend oder sehr früh am Morgen, um die Zugtiere nicht zu sehr den lästigen Bremsen auszusetzen.

Bei der Mahd und bei der Heuwerbung für die gemeindliche Bullenhaltung mußte jeder Betrieb nach vorhandener Kuhzahl mithelfen. Da bis in den Herbst hinein geweidet wurde, erfolgte kein zweiter Wiesenschnitt. Anfang bis Mitte August setzte die Ernte ein. Das Getreide wurde mit der Getreidesense – gegen die stehenden Halme zu – gemäht, von einer Frau aufgenommen und zu Gelegen (Schwaden) auf dem Boden flach ausgebreitet. Nach mehrmaligem Wenden folgte das Zusammenrechen des geschnittenen Getreides zu kleinen Haufen, von denen mehrere zu einer Garbe gebunden wurden. Bis zum Einfahren legte man jeweils fünfzehn Garben zu Mandeln zusammen.

In die Zeit der Getreideernte fiel auch die Flachsernte. Der Lein wurde mit der Hand gerauft (ausgezogen) und nach dem Einfahren gleich geriffelt; die getrockneten Kapseln mußten später mit Flegeln gedroschen werden. Leinsamen und Spreu trennte die Windfege. Das Flachstroh legte man für mehrere Wochen in eine mit Wasser gefüllte Grube, d. h. in die "Roist" (Röste) zur Wasserröste, anschließend einige Wochen lang in die Sonne, bis es schließlich vor dem Brechen noch in den Backofen zur Ofenröste wanderte. Im August mußte schon Winterroggen gesät werden; die Winterweizenaussaat folgte bis Mitte September.

Die Kartoffeln blieben der Höhenlage zufolge von manchen Krankheiten verschont; erst die Reifnächte im September brachten das Kraut an der Oberfläche zum Absterben. Bei der Kartoffelernte erfolgte gleich auf dem Feld die Sortierung nach Speisekartoffeln und Saatkartoffeln, nach kleinen und angeschnittenen Knollen.

Nach Michaeli konnten die Hüterbuben ihr Vieh auf die gesamte Flur treiben. Lag am Morgen schon starker Reif auf den Wiesen, wurde erst am Nachmittag ausgetrieben, und es mußte zugefüttert werden. Fiel vielleicht um Allerheiligen gar schon Schnee, wurde das Viehhüten eingestellt, und die Stallfütterung begann. Wenn Stroh knapp war und noch Zeit blieb, wurde das Laub von den Bergwiesen zum Einstreuen geholt.

Ende Oktober wurden die Futterrüben heimgebracht und die Krautäcker abgeräumt. Jeder Maushalt besaß ein großes hölzernes Krautfaß. Das Hobeln und Eintreten des Krauts besorgte nun der Hausvater. Bevor alles zugeschneit war, fuhr man noch Korn zum Mahlen und Schroten in die Mühle. Die Dienstboten wechselten in Kuneschhau ihren Dienstplatz zu Allerheiligen.

Auf den Fluren war es schon still. Stärkere Fröste setzten ein, und bald fiel Schnee. Auf den Bauernhöfen aber waren Scheunen und Keller gefüllt, und in den Ställen grunzten die Schweine. Der Winter konnte kommen. Ein arbeitsreiches Jahr war wieder abgeschlossen.